Am Montag, bei der Eröffnungsveranstaltung des Literaturfestivals globale˚ wird sie vorne auf der Bühne stehen: Libuše Černá. Sie ist die Begründerin des Festivals, der Kopf hinter vielen der Ideen und die Frau, die bereits zum 13. Mal Literaten und Literaturbegeisterte in Bremen zusammenbringt.

von Verena Bracher
„Ich bin immer aufgeregt!“, sagt sie und lacht. Das werde auch bei der diesjährigen Eröffnungsveranstaltung nicht anders sein und vielleicht brauche es das ja auch, damit nichts schief geht. Seit über 30 Jahren organisiert sie solche und ähnliche Veranstaltungen, 2006 wurde durch ihre Initiative das Bremer Literaturfestival globale˚ ins Leben gerufen. Trotzdem ist da auch nach Jahren immer wieder die Sorge, dass Autor*innen kurzfristig nicht kommen oder vor leeren Stühlen lesen müssen. Lange Zeit hatte sie bei Radio Bremen gearbeitet und war für die Off-Air Veranstaltungen des Kulturprogramms verantwortlich gewesen. Durch ihre Arbeit kam ihr die Idee, etwas Neues auf die Beine zu stellen. Etwas, das der Literatur von Migrant*innen gerecht wird, das Themen behandelt, die über Landesgrenzen hinweg vereinen, und das Leser*innen und Autor*innen zusammenbringt. Mit drei Autor*innen hatte das Festival gestartet; dieses Jahr sind es 22 Literaturschaffende aus fast genauso vielen verschiedenen Ländern, die aus ihren Werken vortragen werden. Und Libuše Černá wird an allen Fronten dabei sein. Gemeinsam mit Prof. Dr. Elisabeth Arend, Dr. Lore Kleinert und Tobias Pollok leitet sie das Festival.
Fundraising, der Kontakt zu den Autor*innen, die Auswahl der Themen und Werke, die Gestaltung des Programmhefts, das Verteilen von Plakaten und Flyern, die Moderation von Veranstaltungen, die Gästebetreuung und die Abrechnungen – bei allem beteiligt sie sich. Unglaublich viel Begeisterung und Arbeit steckt sie in die globale˚, das merkt man, wenn man mit ihr spricht: dann berichtet sie von den geplanten Workshops, schwärmt von den ausgewählten Büchern und erzählt von den Ideen hinter dem Festival. Sich selbst nimmt sie dabei zurück, nein, nicht sie steht im Vordergrund, sondern das Festival, die Literaten und die Gäste, vor allem die jungen.
Literatur – nur einer der vielen interkulturellen Bereiche, für den sich Černá interessiert und einsetzt, aber einer der sicherlich einen großen Stellenwert hat. In Prag, ihrer Heimatstadt, hatte sie Literatur studiert, das Studium dann in Grenoble, Frankreich, und Bremen fortgesetzt. Fast alle der Bücher, die jedes Jahr im Programm der globale˚ vorgestellt werden hat sie selbst gelesen, auch wenn es ein fünfköpfiges Team gibt, das für die Auswahl der Werke verantwortlich ist. Der Troll von Michal Hvorecký, ein Genre und Schreibstil zu dem sie sonst selten greift, hat sie in diesem Jahr mit seinem spannenden und interessanten Thema besonders begeistert.
Ihren Einsatz für die globale˚ und die Vermittlung von Literatur sieht Libuše Černá als Teil eines gesellschaftlichen und politischen Handelns. Mit vielen der Autor*innen pflegt sie mittlerweile freundschaftliche Beziehungen, viele Gäste und Unterstützer des Festivals kennt sie noch aus ihrer Zeit als Journalistin. Nicht nur um die globale˚ kümmert Černá sich, sondern sie ist auch Vorsitzende des Bremer Rates für Integration, organisiert seit dem Frühjahr diesen Jahres das deutsch-tschechische Kulturfestival So macht man Frühling und sitzt in zahlreichen Gremien. In einem kleinen, in braunem Leder eingebundenen Taschenkalender hält sie alle Termine fest, mit Bleistift, für den Fall, dass sich Termine verschieben. Fast jeden Tag ist sie im Büro des Integrations-Rates anzutreffen, im Gebäude der Bremer Bürgschaft, den Schreibtisch vor einer großen Fensterfront mit Blick auf den geschäftigen Marktplatz. Immer gibt es etwas zu organisieren und zu planen, Formulare auszufüllen und Kontakte zu pflegen. „Ich glaube, ich muss eigentlich weniger machen.“ gibt Černá zu. Doch ihre Arbeit scheint ihr dafür zu wichtig. Und dann gibt es da ja auch noch sowas wie ein Privatleben. Mit ihrem Ehemann Tilman Rothermel geht sie jedes Jahr auf Reisen, besucht Kuba und Japan, begeistert sich für immer neue Orte. Überall auf der Welt trifft sie auf Freunde und schließt neue Bekanntschaften.
Die globale˚ schafft Raum für Begegnungen, insbesondere über nationale Grenzen hinweg. Besonders bei den Lesungen der Literaturschaffenden für Jugendliche hat Libuše Černá bewegende Momente erlebt. Das Literaturfestival biete den Jugendlichen einen geschützten Raum, innerhalb dessen sie mit den Schriftstellern ins Gespräch kommen können. An ein Erlebnis vor ein paar Jahren erinnert sich Černá noch ganz besonders: Ein 14-jähriger Junge hatte im Gespräch ganz vehement seinen Lieblings-Autor verteidigt, Jules Verne. Ein intensives Gespräch zwischen dem Schriftsteller und dem Jugendlichen entbrannte, jede vorherige Distanz war vergessen, ein beidseitiges Verständnis entstand. Der Autor war vor vielen Jahren aus seinem Heimatland geflüchtet, das einzige Buch in seinem Gepäck war ein Werk von Jules Verne gewesen. „Hinterher hat man sich gedacht: dafür hat sich alles gelohnt“. Černá versucht jedes Jahr bei allen Veranstaltungen dabei zu sein, ob als Moderatorin oder inmitten des Publikums. Die Erfahrungen und die prägenden Momente des Festivals dürfen bei ihr nicht in den organisatorischen Dingen untergehen.
Wie viele kulturelle Initiativen hat auch die globale˚ immer mit der großen Frage der Finanzierung zu ringen. „Es ist immer noch ein Kampf“, erklärt Černá. Zwar gäbe es viele treue Unterstützer, die seit Jahren zum Erfolg des Festivals beitragen, doch würden jedes Jahr auch Unsicherheiten in der Finanzierung und massenweise Anträge die Arbeit der Veranstalter erschweren. Wenn das Festival für alle anderen vorbei ist, steht für sie erst noch die monatelange „unangenehme Arbeit“ der Abrechnungen an.
Mit jedem Jahr werden neue Ideen beim globale˚ Festival verwirklicht. Neue schriftstellerische Talente werden entdeckt, thematische Schwerpunkte werden gesetzt, Sonderprogramme und Workshops veranstaltet. „Ein Festival, das muss immer in Bewegung bleiben“, erklärt Libuše Černá. Das diesjährige Thema Krieg und Frieden soll dem Vergessen der Kriege und kriegsähnlichen Zustände der letzten Jahrzehnte in Europa entgegenwirken. Im Programmheft sticht der Begriff des Friedens in kräftigem Rot hervor, „Ich wollte, dass man den Frieden mehr betont.“, der Krieg soll in den Hintergrund treten. Černás Ziel ist es, möglichst viele Menschen mit dem Festivalprogramm zu erreichen. Immer neue Veranstaltungsorte werden dafür erschlossen; Räume transportieren Atmosphären, sie bieten den Rahmen für die Inhalte, die das Festival vermitteln möchte. Dieses Jahr ist zum ersten Mal das Kukoon in der Neustadt mit dabei, es bietet ein „schönes Kaffeehausambiente“. Der ultimative Wunsch-Veranstaltungsort von Libuše Černá? „Das Weserstadion!“ Vor vollen Publikumsreihen versteht sich.