Immer dem Hasen nach

von Paula Blunck

Schnell und stürmisch stürzt man in Hasenprosa, in die laute Welt von Maren Kames´ Kopf. Der autofiktionale Roman über eine Frau und einen Hasen und ihre gemeinsame Reise durch die Welt, durch das Weltall, durch die Zeit und durch die Fantasie, ist eine Suche nach Selbstreflexion, nach Wahrheit, nach Herkunft und vielleicht nach Ruhe und Frieden. Letzteres wird man allerdings nicht finden. Die Protagonistin blickt auf ihr Leben und das ihrer Vorfahren

„rückwirkend“ und diese Rückwirkung spiegelt sich in den Zeitsprüngen wider, in denen die Handlung verläuft. Es gibt keinen stringenten Handlungsfaden, keinen Spannungsbogen, sondern Kames´ dritter Roman ist ein dynamischer Gedankenstrom mit sprachlichen Abzweigungen und poetischen Kurven. Er ist wie eine Mischung aus Coming-of-Age und Familiensaga, aus exzentrischem Pop und nachdenklicher Innensicht.

Es ist nicht leicht, sich in diesem sprachlichen Dschungel zurecht zu finden, so wie sich Hase und Protagonistin durch Savanne, All und Vergangenheit kämpfen. Kames´ Sprache hat eine solche Körperlichkeit, dass man einer Flut an Eindrücken und Erfahrungen ausgesetzt ist. Man sieht die Welt anders durch ihre Worte, zum Beispiel wird aus Fluchtwagen „Fliehwagen“, der Opa ist „beigefarben“ und der Bruder ist „spröde“. Die Verdichtung der Handlung und der Worte wird hektisch verdeutlicht. Nie kann man das Ende eines Satzes erahnen, syntaktische Wendungen lassen einen verzweifelt nach etwas Haltgebendem suchen. Beim Lesen kommt man nicht zur Ruhe, was anstrengend ist. Nur die Zwiegespräche zwischen Hasen und Protagonistin bringen kleine Pausen, rührende Ehrlichkeit und Verletzlichkeit in das Geschehen. Der Hase ist die innere Stimme, das innere Kind, das innere Korrektiv und gleichzeitig nicht wirklich innen, sondern der Reiseführer, der sie begleitet. In diesen Zwiegesprächen kann man sich einlassen auf die Identifikation mit der Protagonistin – mit der Angst vor Kontrollverlust, der Angst zurückzubleiben.

Hasenprosa ist unterbrochen von Kindheitsfotos, Zeichnungen, Screenshots eines YouTube Videos und von in Klammern gesetzten Einschüben, von Songtexten und Hasengeheimschrift. Man befindet sich in einem Gedankenstrudel eines normalen Menschen, oder eines Kindes oder vielleicht einfach von jemanden mit ADHS?

Der Roman verheimlicht nicht seine autofiktionalen Anteile und verwirrt das Verhältnis von Realität und Fiktion mit intertextuellen Bezügen, popkulturellen Anspielungen und häufigem Namedropping aus Musik, Literatur und Film.

Außerdem ist die Sicht auf ein klares Urteil darüber versperrt, ob es sich nun lohnt, den ungeordneten Gedanken einer Person über sich selbst und ihre verstorbenen Großmütter zu folgen, denn eine klare Aussage, einen Zweck neben der Selbstreflexion, scheint der Roman nicht zu haben. Und auch, ob es sich lohnt, den Fiebertraum an Worten, Farben und Lauten durchzustehen und nach dem Beenden des Romans in einer leeren Stille zu sitzen, nachdem einen die Hasenprosa verlassen hat.

Doch, es lohnt sich, denn das Ziel der Reise scheint die Reise selbst zu sein. Man muss nur bereit sein, sich während des Roadtrips zwischenzeitlich so zu fühlen, als wäre man eher auf einem Drogentrip, ausgelöst durch vom hoppelnden Hasen gepflückte Kräuter.

Hasenprosa ist „ein Krachwettbewerb“, der seine Lautstärke und Intensität voll auslebt und einen mitreißt. Man muss aufpassen, dass man nicht auf der Strecke bleibt.

Hasenprosa von Maren Kames, Suhrkamp Verlag, 182 Seiten, 25€, Hardcover.

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