„Vielleicht können wir uns in der Mitte treffen.“

„Vielleicht können wir uns in der Mitte treffen.“
Lesung mit Hamed Abboud, Der Tod backt einen Geburtstagskuchen
von Maria Rukover

Mir ist kalt.“
In der Überseestadt, dem alten Hafengebiet, der einst Bremen mit der Welt verband, findet an diesem Spätnachmittag die Lesung von Hamad Abboud statt. Irgendwie ironisch, dass sie gerade hier stattfindet, an diesem einstigen Verbindungspunkt zur Welt, wo Syrien, Abbouds Heimat, doch nun so abgeschnitten von der Welt erscheint.

„Ich habe Hunger.“
Das Licht ist gedämpft als Abbouds Stimme im Saal ertönt. Nicht auf Deutsch, nein, auf Arabisch lässt er die ersten Worte aus seinem neuen Werk verlauten. Worte, die, obwohl die Mehrzahl der Zuhörer sie nicht versteht, einen mit voller Wucht  treffen, weiß man doch, dass es Worte vom Tod, des Verlusts, der Angst, der Einsamkeit sind.
„Vielleicht können wir uns in der Mitte treffen“, schlägt Abboud vor. Deshalb sind seine Texte und Gedichte zweisprachig. Der deutsche Leser wird sie von links nach rechts, der arabische Leser von rechts nach links lesen. Somit geht jeder ein Stück auf den anderen zu. Bei der Lektüre. Im alltäglichen Leben?

„Wie weit ist es noch?“
Abboud braucht keine Figur, die für ihn spricht. Stolz verkündet er gleich zu Beginn: „Ich bin die Stimme, die spricht!“ Das ist ihm wichtig, denn zu lange musste er schweigen. Den Fluchtweg aus Syrien über die Türkei, Griechenland und schließlich Österreich legte er schweigend zurück. Die eigene Stimme wiederfinden, die nun, in der Ferne, fremd klingt.

„Wir müssen weiterleben.“
Abboud hat seine Stimme wiedergefunden und sie in Literatur verwandelt. Impulsschreiben. Denn obwohl Abboud seine Stimme wieder gefunden hat, weiß er, dass so viele ihre immer noch verloren haben. Seine Literatur soll deshalb als Stimme derjenigen gelten, die nicht reden können.
„Alle Helden sterben in Syrien. Spiderman hat in Syrien keine Wand, an der er hochklettern könnte, weil es keine Häuser mehr gibt. Batman stirbt. Superman stirbt. Magneto hat keinen Zugang zu Waffen in Syrien. Der Flüchtling aber, er ist der wahre Held, denn er überlebt, in der Heimat und in der Fremde.“

 

„Ich bin dankbar, nicht viele Freunde zu haben. So viele Menschen haben Freunde und Familienangehörige verloren. Und ich könnte mich allein schon wegen den zwei, die ich verloren habe, umbringen.“
Doch der Tod freut sich über die neue Gesellschaft. Und backt aus Freude einen Geburtstagskuchen.

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