Es ist okay

© privat

von Tobias Schiefer

„Ich wohne in meinem Körper, auf den ich mich nicht verlassen kann. Ich werde von einem verräterischen Kopf gelenkt.“

Ein Zustand, der leider in der heutigen Zeit immer häufiger auftritt oder liegt es daran, dass wir endlich vermehrt darüber reden können? Nur ein wenig Angst ist genau das: eine Geschichte über mentale Gesundheit. Als Jugendroman von Alexander Kielland Krag im Jahr 2021 in Norwegen erstmals erschienen, wurde er letztes Jahr auch den deutschen Leser*innen mit einer Übersetzung von Gabriele Haefs zugänglich gemacht. Die Geschichte folgt Cornelius, dem eines Tages auf einer Party übel wird, nur weiß er nicht, warum und wovon. Doch eines stellt sich unglücklicherweise schnell heraus: Er wohnt auf einmal in einem Körper, auf den er sich nicht mehr verlassen kann.

Zu Beginn ist für Cornelius eigentlich alles wie gehabt. Er geht zur Schule, spielt mit seinen Freunden Aksel und Oliver Fußball, hat was mit dem ein oder anderen Mädchen und feiert Partys. Es läuft quasi richtig für ihn, bis ihn die Übelkeit erfasst. Anfangs ist er verwirrt, weil krank ist er nicht, denkt er zumindest. Er spielt seine ab und zu kommenden Übelkeitsattacken herunter, ohne deren Gewicht ernst zu nehmen. Erst als sich auch noch unbegründete Angst und schlaflose Nächte dazu gesellen, fängt Cornelius an, sich zu hinterfragen. Doch mitteilen kann er sich niemanden, denn er möchte nicht als jemand Schwaches dastehen, der Hilfe braucht. Er ist ein Junge, denkt er sich, und Jungen schaffen es halt nicht, über Gefühle und so zu sprechen.

Kielland Krag lässt viele Seiten fast leer, nur wenige Sätze sind auf ihnen enthalten. Doch gerade diese Seiten sind es, die am meisten wiegen. Ihr Leerraum bietet den Platz für die Emotionen, die Cornelius nicht aussprechen kann. Der Roman ist damit sicher kein seichter Ritt, erzählt jedoch auch von schönen Seiten eines guten Freundeskreises. Denn im Gegensatz zu Cornelius‘ Vorurteilen und Befürchtungen, wie seine Freunde reagieren würden, bleiben die unterstützend, selbst wenn Hilfe nicht direkt angenommen wird. Das Buch unterteilt sich in seiner kurzen Länge nicht in Kapitel oder Ähnliches. Quasi tagebuchartig erzählt Cornelius von einprasselnden Momenten, die ihn seit seiner ersten Übelkeitsattacke ereilen. In der Sprache bleibt der Roman prägnant und einfach und taucht gleichzeitig in eine komplexe Gedankenwelt eines Jugendlichen ein.

Jugendroman hin oder her. Die emotionale Reise von Cornelius kann alle Altersgruppen und Gender durch die übergreifenden Probleme mentaler Krankheiten ansprechen. Das Buch leistet eine gute Arbeit darin aufzuzeigen, dass Gesundheit nicht nur das physische, sondern auch das psychische Wohlbefinden beinhaltet. Zudem einen Jungen als Protagonisten zu nehmen, öffnet gleichzeitig das Männlichkeitsverständnis. Nicht ohne Grund wurde der Roman als besonders wertvoll von einer norwegischen Jugendjury empfunden.

Angemerkt werden muss, dass das Buch potenziell durch seinen Inhalt (mentale Gesundheit, Angststörung, Angst- und Panikattacken) nicht für Leser*innen geeignet ist, die sich emotional nicht dazu in der Lage fühlen.

Nur ein wenig Angst, Alexander Kielland Krag, übersetzt von Gabriele Haefs, 2023, Arctis, 216 Seiten, 16€

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