„Für dein Leben wünsche ich mir, dass du glücklich wirst. Dass die Krankheit nicht in dir lauert.“ Mit großer Sensibilität schildert Kirsten Boie den Alltag von vier Kindern aus Swasiland, in dem Armut, Krankheit und Verantwortung ganz selbstverständlich sind.
Von Silvia Rosenlund
Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen. Diesen Satz von ihrer Mutter hat Sonto noch im Ohr. Sie ist eins von vier Kindern aus Swasiland, einem Land, in dem die durchschnittliche Lebenserwartung 31 Jahre beträgt, weil es die höchste HIV-Infektionsrate weltweit hat und in dem 45% aller Kinder Waisen sind. Die Geschichten erzählen davon, wie die Kinder Verantwortung übernehmen: für die Erziehung ihrer Geschwister, für die Versorgung der Familie, für all das, was ihre Eltern getan hätten, wenn sie noch da wären. Aber sie sind nicht mehr da. So geht Thulani nicht zur Schule, weil er sonst seine Geschwister allein lassen müsste. Lungile verkauft ihren Körper, damit ihre kleine Schwester zur Schule gehen kann. Sipho holt jeden Tag Wasser, obwohl das Frauenarbeit ist, aber es ist keine Frau mehr im Haus. Und Sonto und ihre kleine Schwester wandern stundenlang durch das Land und hoffen, dass die Schwestern der Krankenstation das Virus nicht in ihrem Blut finden, damit es ihnen nicht genauso ergeht wie ihren Eltern. Alle vier Geschichten erzählen vom täglichen Kampf ums Überleben und davon, dass das für die Kinder in Swasiland ganz normaler Alltag ist.
Noch ein Buch über Afrika, noch ein Buch über Leid und Armut der Kinder dort und noch ein Buch, das an das Mitleid der Leser appelliert. Das könnte man denken bei der Thematik, die Kirsten Boie hier aufnimmt. Aber dieses Buch bedient keine Klischees. Zum Glück. Trotzdem ist dieses Buch beunruhigend, denn es ist schockierend, was den Kindern alltäglich passiert. Und all das wirkt so besonders stark und nachhaltig, weil Kirsten Boie diese Geschehnisse in eine besondere Sprache verpackt, die man nicht in einem Buch erwartet, welches ab 14 Jahren empfohlen wird. Die Kombination aus Sprache und Inhalt ist hier das Geheimnis. Die Autorin erzählt mit einer behutsam und poetisch beschreibenden Sprache, die gerade in ihrer Vorsicht, in ihrer Zaghaftigkeit die erschütternden Ereignisse umso drastischer hervortreten läßt. Sie übertreibt nicht und sie beschönigt nicht, unaufdringlich aber sehr ergreifend, mit einem sehr persönlichen Nachwort. Kirsten Boie öffnet den Blick für die Realität dieser Kinder. Eine Realität, die erschreckend ist, weil wahr. Und absolut lesenswert.
Kirsten Boie: Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen. Erzählungen, 112 Seiten, Oetinger Verlag, Hamburg 2013. 12.95 €. Ab 14 Jahren.
1 Kommentar