„Ich habe noch Hoffnung“ -Stanisław Strasburger über Polen und Europa

von Lissi Savin

Der Theatersaal Brauhaus ist dunkel. Neben mir leuchten kleine Lichter, um zu zeigen, wo die Treppenstufen sind. Vor dem überschaubaren Publikum steht ein langer Tisch. An dessen Ende sitzen drei Personen: Die Moderatorin Libuše Černá, Stanisław Strasburger und Erik Taberys Ersatz Julian Anatol Schneider. Ersatz? Ja, Tabery musste kurzzeitig absagen.

Eigentlich sollte die Veranstaltung eine Diskussion werden. Diagnose Europa. Wie steht es um Europa und was hält die Zukunft bereit?

Aus der Diskussion wird mit einem einzelnen Experten dann wohl eher nichts. Deshalb mehr ein Interview. Der polnisch-deutsche Journalist Strasburger erzählt über die paradoxe Einstellung mancher Menschen, unter anderem in Polen: Einerseits wollten sie keine Ausländer, andererseits gebe es beispielsweise in Warschau sehr viele indische Restaurants. Die Regierungspartei PiS gebe sich ebenfalls als ausländerfeindlich. Gleichzeitig werbe sie in Bangladesh, dass Polen Arbeiter brauche. „Die Wahrheit ist nicht schwarz-weiß“, sagt Strasburger. Soweit nicht wirklich überraschend.

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Polnische und Tschechische Politik im Vergleich

Schneider liest einen Ausschnitt aus Taberys Buch Die verlassene Gesellschaft – Der tschechische Weg von Masaryk zu Babiš vor. In der Anmoderation bezeichnet Černá den derzeitigen Ministerpräsidenten Babiš als den tschechischen Trump, der sagt, er wolle den Staat als Unternehmen führen. Der Text beschreibt, wie Babiš in die Politik kam – dass seine Firma das Medienunternehmen MAFRA kaufte und ihm somit tschechische Zeitungen gehören. Resultat: Keine öffentliche Kritik.  Bisher habe er so Einfluss auf alle Zweige der Gewaltenteilung, außer der Rechtsprechung. Während der Text vorgelesen wird, wandert mein Blick entlang des Tischs, zum anderen Ende, wo seltsame Objekte liegen. Ich betrachte Strasburger, wie er selbstbewusst mit leichtem Lächeln auf den Lippen dasitzt. Durch seine schwarzumrandete Brille macht er einen intelligenten Eindruck.

Dann geht es wieder um Polen. Über den Chef der polnischen PiS sagt Strasburger: „Ich glaube nicht, dass Kaczynski Diktator sein will. Es geht immer noch schlimmer. Ich habe noch Hoffnung.“ Strasburger plädiert für ein transnationales Europa. „Nationalstaaten funktionieren nicht mehr. Eine europäische Republik hätte vielleicht eine bessere Chance gegen die anderen globalen Mächte.“

„Und wie soll das vonstattengehen?“, fragt Černá. Strasburger lacht und antwortet: „Wenn ich das beantworten könnte, wäre ich Politiker.“

Damit ist die Diagnose fertig und wir sind unseren eigenen Gedanken überlassen. Über Polen und Tschechien habe ich mehr erfahren. Aber etwas Neues über die derzeitige oder zukünftige Situation Europas, habe ich nicht gelernt. Ich hätte gerne gewusst, was Tabery zu der Idee eines transnationalen Europas gesagt hätte. Vielleicht hätte eine Diskussion mit ihm spannend werden können. Schade.

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