Was wird im Institut français gesprochen?

Foto: privat

von Robin Bertram

Bei Lesungen geht es um den Inhalt. Was hast du am 26. Januar 2024 zwischen 19 und 21 Uhr gemacht? Bei einer Lesung bist du gewesen? Chapeau! Von wem? Was wurde gelesen?

Die klassischen Fragen nach dem Wer und Was? Aber die Frage nach dem Wie, wo ist die? Klar kommt die direkt hinterhergeschoben, meint sie doch eher, ob es mir gefallen habe. Wenn ich mich an Jérémie Dres‘ Lesung erinnere, kommen mir als erstes die Eigentümlichkeiten der Veranstaltung in den Sinn, für die ich nicht ganz unverantwortlich bin.

Vorne im kleinen Saal sind drei Sessel, ein Tisch, eine Wasserkaraffe plus IKEA-Gläser aufgebaut. So eine typische Wasserglaslesung eben, so klassisch, soweit so unoriginell. Dann fallen Beamer und Leinwand auf, ein bisschen schief, ein bisschen charmant. Eine Mitarbeiterin kämpft mit streitlustigen PDFs. Wenn gegen den Bildschirm hauen nicht klappt, hilft vielleicht ein Neustart des Programms. Drei Herren setzen sich auf die Sessel. Es geht los.

Bienvenue à l’Institut français! Es folgt eine kurze Einleitung seitens des Instituts, den Anlass der Lesung bezüglich der Literarischen Woche, die Besonderheit des Tages, sei es doch der Vorabend des Holocaust-Gedenktages und die thematische Auswahl in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für Politische Bildung organisiert worden. Ich schaue auf die Titel, die auf der wackelnden Leinwand erscheinen: Si je t’oublie Alexandrie und Nous n’irons pas voir Auschwitz. Der Mann rechts auf der Bühne fragt, wer das verstanden habe. Im Institut français wird Französisch gesprochen. Das liegt nahe. Eine Reihe an Händen meldet sich. Meine nicht, denn ich spreche kein Französisch. Ich stelle mich darauf ein, für die kommenden zwei Stunden nichts zu verstehen. Wer würde kein Französisch sprechen? Ich melde mich, der junge Mann neben mir eventuell ebenfalls. Gut, dann werde live übersetzt. Das wurde auch so angekündigt, ich kann nur nicht lesen.

Von dem, was der Übersetzer mir über Dres erzählt, scheint er ein netter Typ zu sein. Er schreibt autofiktionale Texte über seine Familie. Wobei er diese nicht nur schreibt, sondern auch zeichnet. Schließlich sei er Comic-Autor, was den Beamer erklärt. Dres liest aus seinen Büchern, der Moderator stellt (zu) viele Fragen auf einmal, der Übersetzer übersetzt nicht nur das Gespräch zwischen den Dreien live, sondern auch den Text im Comic, den er aus dem Publikum heraus von den bockigen PDFs an der Leinwand ablesen muss, und erklärt noch nebenbei Wortwitze und sprachliche Besonderheiten, die sich nicht eins zu eins übersetzen lassen. Dres scheint stellenweise irritiert, mit wem er sprechen soll: Moderator oder Übersetzer? Es entsteht ein Dreiecksdialog, der von sprachlichen Hürden geprägt ist. Der Moderator, ebenfalls Comic-Autor, kann zwar Französisch, aber nach eigener Aussage nur genug, um alltägliche Konversation zu führen. Da Dres in Hamburg lebt, versucht er einige Fragen auf Deutsch zu beantworten. Der Übersetzer versucht alles irgendwie zusammenzuführen und dann sitzt da noch das Publikum, das die Veranstaltung in doppelter Ausführung erlebt. Und ich sitze dort, beobachte, wie sich der Rhythmus einpendelt, und fühle mich wie in einem bilingualen Tati-Film.

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