Britanni Sonnenberg: Heimflug

Was bedeutet Heimat, wenn man überall und nirgendwo zu Hause ist? Diese Frage versucht Brittani Sonnenberg in ihrem autobiografischen Erstlingswerk zu beantworten und erzählt, was passiert, wenn Heimat nicht mehr an einen Ort gebunden ist, sondern sich durch die Familie konstituiert.

Von Kristin Krause

Laut Definition des Dudens bedeutet Heimat ein „Land, Landesteil oder Ort, in dem man geboren und aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt.“ Für Familie Kriegstein trifft dies jedoch nicht zu. Chris Kriegstein ist Geschäftsführer einer großen Firma und muss dadurch alle paar Jahre in ein neues Land umziehen. Ihm folgen seine Frau Elise und seine beiden Töchter Leah und Sophie. Durch die ständigen Umzüge verliert die Familie immer mehr das Gefühl, eine Heimat zu besitzen, einzig und allein der jährliche Heimaturlaub bei den Großeltern in Amerika erinnert die Familie an ihre Herkunft. Zuflucht finden die Kriegsteins in der einzigen Institution, die ihnen in ihrem nomadischen Leben geblieben ist, nämlich der Familie. Doch mit dem plötzlichen Tod Sophies scheint auch dieses Konstrukt zu zerbrechen.

Mit „Heimflug“ gelingt es Brittani Sonnenberg das Leben der sogenannten Expatriaten eindringlich zu beschreiben. Grund hierfür wird sicherlich ihre eigene Biografie sein, denn auch sie ist Kind amerikanischer Eltern, ihr Vater der Geschäftsführer eines großen Unternehmens, sodass auch ihre Familie nie lange an demselben Ort blieb. Ihr ursprüngliches Vorhaben, „Heimflug“ als eine Autobiografie zu schreiben, verwarf sie schnell und entschied sich stattdessen dafür, ihr Leben in eine fiktionale Geschichte einzubetten.

Besonders sichtbar wird die Unbeständigkeit der Kriegsteins in der Wahl ihrer Heimat durch Sonnenbergs Erzählweise. Diese wechselt genauso oft die Perspektive wie die Familie ihr Zuhause. Jedes Kapitel wird aus der Perspektive eines anderen Familienmitglieds erzählt, sodass eine breite Sichtweise der Geschehnisse entsteht. Zu den Perspektiven der Kriegsteins kommen teils recht außergewöhnliche Stimmen hinzu, so wird das erste Kapitel aus der Sicht von Elises Elternhaus erzählt. Doch auch Chris‘ Eltern und sogar seine Urgroßmutter Mechthild bekommen die Möglichkeit sich darzustellen. Nicht nur die Erzählperspektive ist breit gefächert, sondern auch der zeitliche Rahmen, der beliebig zwischen dem 19. Jahrhundert, den 80ern, 90er Jahren des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart hin und her springt.

Auf den ersten Blick kann diese Sprunghaftigkeit verwirrend auf den Leser wirken, doch gerade der ständige Wechsel von Stimmen, Perspektiven, Orten und Zeiten eröffnet eine vielfältige Rundsicht auf die Thematik der Wurzellosigkeit und der Sehnsucht nach einer richtigen Heimat. So entsteht eine Familiengeschichte, die nicht nur mehrere Generationen, sondern mehrere Kontinente umspannt. Eine Geschichte über Wurzeln, Verlust und Halt der Familie.

Brittani Sonneberg wurde 1981 in Hamburg als Kind amerikanischer Eltern geboren. Nach vielen Jahren in Asien, Europa und der USA lebt sie heute in Berlin und arbeitet dort unter anderen als Redakteurin des Magazins „Berlin Journal“ der „American Academy“. Zusätzlich ist sie Gastdozentin für Kreatives Schreiben an der Universität von Hong Kong. Nach einigen Kurzprosa- und journalistischen Texten, veröffentlicht sie mit „Heimflug“ ihren ersten Roman.

Brittani Sonneberg: Heimflug. 336 Seiten. Arche Literatur Verlag. Hamburg, 2014. € 19,95.

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