Tag 2: Bericht zur Langen Nacht im Bremer Theater mit der Kafka Band am 22.11.2014
Von Kristin Krause
Wer Kafka schon mal gelesen hat, weiß was einen erwartet. Wer schon mal auf einem Konzert war, weiß ebenfalls was ihn zu erwarten hat. Wenn diese beiden Elemente jedoch aufeinandertreffen, entsteht etwas, das es so vielleicht kein zweites Mal gibt.
Im Vorhinein wollte ich mich ein wenig auf den Abend vorbereiten und lieh mir so „Das Schloss“ aus, jenes Fragment Kafkas, das durch die Band musikalisch umgesetzt wird. Nach den ersten 50 Seiten wurde mir klar, dass das ein schönes Stück Arbeit werden würde, denn das Lesen begann mich zu frustrieren. In gewisser Weise fühlte man sich dadurch zwar mit dem Protagonisten K. verbunden, der im Laufe des Romans ebenfalls immer frustrierter und hoffnungsloser wird – unter einem Lesegenuss stellte ich mir jedoch etwas anderes vor. So war ich umso gespannter auf diesen Abend, der, wie ich hoffte, meine Einstellung zum den Roman ändern würde. Und ich sollte nicht enttäuscht werden.
Veranstaltet wurde das Konzert im Theatersaal des Kleinen Hauses des Bremer Goethe Theaters. Bevor die sieben Bandmitglieder, unter ihnen der tschechische Autor Jaroslav Rudiš und der Zeichner ud Musiker Jaromir99, die Bühne betraten, wurde ein Video-Clip auf eine große Leinwand projiziert. Gestaltet wurde er in dem scherenschnittartigem Stil, der die musikalische Darbietung den ganzen ganzen Abend künstlerisch begleitet sollte.
Selten war ich nach wenigen Momenten so von einer Darstellung gefangen, wie an diesem Abend. Das Konzept der Band war schnell durchschaut: die Musiker spielten zehn Stücke und somit zehn Geschichten aus dem Fragment, jedes Lied mit seinen eigenen speziellen musikalischen Eigenschaften. Rudiš rezipierte dabei rhythmisch deutsche Passagen aus „Das Schloss“, während Jaromir99 ihn gesanglich im Hintergrund auf Tschechisch unterstützte. Jedes Lied bekam dabei seine eigene Klangart, Rhythmus und Melancholie. Dadurch setzten die Künstler die Themen, die sie repräsentierten, in ein für mich völlig neues Licht und gaben ihnen eine neue Bedeutung. Durch diese musikalische Bandbreite schafft es die Kafka Band, wie Rudiš es sagte „ein Technolied von 1920“ neben Polka und ruhigeren Stücken nebeneinanderzustellen, ohne das diese düstere Melancholie, die alle Stücke miteinander verbindet, verloren geht. Beim Zuschauer hinterließ dies den Eindruck, wie in eine andere Welt eingetaucht zu sein, in die trostlose Welt von K., die bestimmt ist von Schnee, Kälte und der hoffnungslos traurigen Beziehung zu Frieda.
Tief unter der Erde, um uns herum nur Tote. Lebende finden uns nicht.
Noch jetzt geistert mir diese Textpassage im Kopf herum. Ein für mich aussagekräftiger Beweis, dass es manchmal einfach nur andere Herangehensweisen geben muss, um Menschen einen Zugang zu neuen Thematiken zu ermöglichen.