Wir haben alle Vorurteile, auch wenn wir das gar nicht wollen

Bericht zur Lesung von Kirsten Boies “Schwarze Lügen” in der Stadtbibliothek Gröpelingen am 27.11.2014

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von SilviaRosenlund

Gerade habe ich Platz genommen, schon bin ichmittendrin in den Diskussionen: „Die da vorne sind so groß, ich kann gar nichts sehen“, „Boah seid doch mal leise“, „Die Handys werden jetzt weggepackt“. Gemeinsam mit einigen 6. Schulklassen bei einer Lesung von Kirsten Boie in der Stadtbibliothek Gröpelingen zu sein, das ist mal eine attraktive Abwechslung zu den Abendveranstaltungen bei der Globale.

Kirsten Boie erzählt von ihrem Buch Schwarze Lügen, von den Verkettungen vieler Zufälle, von der Unschuld ihrer Hauptfigur Melody und davon, wie leicht es ist als schwarze Jugendliche verdächtigt zu werden. Wir wollen doch alle keine Vorurteile haben, und trotzdem haben wir sie. Oft liege das an der einseitigen Information, die wir über Menschen oder über ein Thema haben. Man muss mit Menschen zusammenleben um ein realistisches Bild von ihnen zu haben, sagt sie.

Die Passage, die sie aus Schwarze Lügen vorliest, ist eine ziemlich harte Passage aus dem Kriminalroman. Gangster, Gewalt, Entführung und jede Menge Spannung lassen ihre Zuhörer fast still werden. Die Passage sei eigentlich eher für etwas ältere Kinder, sagt sie. Aber die Jugendlichen sind ganz aufmerksam dabei. Bei Ausdrücken wie „Ach du Scheiße“, „Fuck“ oder „Kanacke“ wird in fast allen Reihen leise gekichert.

Anschließend werden Fragen gestellt. Viele Fragen. Nicht nur zum Roman, auch viel Privates. Vieles, was bei anderen Lesungen nicht gefragt wird. So erfahren wir nicht nur, dass Kirsten Boie als Kind ihren kleinen Bruder mit Süßigkeiten bestechen musste, damit er ihre Geschichten anhörte, sondern auch, dass Zufälle nicht nur in Schwarze Lügen eine große Rolle spielen, sondern auch im Leben der Autorin selbst vieles verändert haben. Dinge, die man sich wünscht, kämen irgendwann doch ganz unerwartet zu einem zurück und passierten dann, wenn man gar nicht mehr damit rechnet, das möchte sie ihren Zuhörern gern mitgeben. Sie selbst wollte schon als Kind Autorin werden, studierte aber auf Lehramt und musste ihren geliebten Job als Lehrerin dann beenden, als sie mit ihrem Mann ihr erstes Kind adoptierte. So kam sie in ihrer Zeit zuhause wieder zum Schreiben und ist heute eine „Buchlegende“, wie einer der Schüler ganz begeistert sagt. Eine, die nicht in Rente gehen möchte, obwohl sie langsam auf das entsprechende Alter zusteuert, sagt sie. Und eine, die heute niemanden mehr mit Süßigkeiten bestechen muss, damit sie ihre Geschichten erzählen darf.

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