Rezension zu Ernest van der Kwasts Roman „Die Eismacher“
Von Natalya Polyakova
Haben Sie schon Kaffee-Kardamon-Eis gegessen? Eis aus Quark mit Pflaume oder vielleicht Eis aus Fenchel mit Birne und Basilikum? Wenn diese verwunderlichen Mischungen Sie den Kopf schütteln lassen, dann ist dieses Buch für Sie.
Der niederländische Autor Ernest van der Kwast erzählt in seinem Roman Die Eismacher die Geschichte einer italienischen Eismacherfamilie aus einem idyllischen Tal in den Dolomiten. So wie die Zugvögel ihr Land verlassen und nach einiger Zeit zurückkehren, wandert die ganze Familie Talamini jeden Frühling nach Rotterdam, um dort eine Eisdiele zu betreiben. In der Kindheit teilen die Brüder Luca und Giovanni viel: Leidenschaft zur Eisherstellung, die Liebe zu einem Nachbarmädchen. Doch während das Eis, das schon seit fünf Generationen produziert wird, sich in den Händen von Luca aus dem bloßen Handwerk in die Kunst verwandelt, entdeckt der ältere Bruder die Poesie und bricht mit der Familientradition. Er zieht nach Amsterdam und wird später Direktor des internationalen Poesiefestivals. Der Familie fällt es schwer, sich mit Giovannis Entscheidung zu versöhnen. Jedoch bricht Luca nach einigen Jahren das verbitterte Schweigen. In den überzuckerten Familienalltag schleichen sich die dunkleren Eissorten.
Beppi, der Vater des Protagonisten, der sich in eine olympische Hammerwerferin aus dem Fernsehen verliebt, eröffnet den Familienreigen. Als ihm seine Frau sagt, er habe wohl Alzheimer, setzt er sich einen Sack Zwiebel auf den Kopf und singt die Nationalhymne. Dies nur als Beweis, dass er den Verstand nicht verloren hat. Die Figur des alten Eismachers gibt dem Roman eine sahnige Note und Leichtigkeit, die in der Frage mündet, wie man eigentlich echtes italienisches Eis produziert.
Der Autor beantwortet diese Frage akribisch: Der farbenfrohe Genuss wird aus dem Gebirgseis, Salz, Zucker, Milch und Früchten gemacht. Das Wichtigste dabei ist: drehen, drehen, drehen. Was Sie aber nicht sagen sollten: „Das Eis wurde doch in China erfunden.“ Sonst landet eine Eistüte auf Ihrem Kopf.
Die poetische Sprache des Buches ist nicht zuletzt der Rolle der Lyrik zu verdanken. Giovanni wollte nie ein Dichter werden, trotzdem verfügt er über die besondere Fähigkeit, zu jeder Situation ein Vers anzubringen. Die Freiheit, um die ganze Welt zu reisen, die ihn so von seinem Bruder unterscheidet, bringt auch ein Gefühl der Heimatlosigkeit mit sich. Er muss für sich entscheiden, ob er das schwarze Schaf in der Familie bleibt oder seine Träume verrät.
In seinem Roman gelingt es Ernest van der Kwast, nicht nur die Geschmacksgrenzen der LeserInnen zu erweitern, sondern auch die Auswirkungen der Migration auf die Eismacherfamilie darzustellen. Schmilzt Giovannis Identität, je öfter er von der Familie weg ist oder erfriert Lucas Herz, je mehr er sich der Tradition opfert? Holen Sie sich ein Eis, setzen Sie sich, schlagen Sie das Buch auf und genießen Sie.
Die Eismacher, Ernest van der Kwast, 2016, btb Verlag, 384 Seiten, 19,99 Euro.
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