Rezension zu Shida Bazyars Roman „Nachts ist es leise in Teheran“
Von Stefanie Jahn
Eine Geschichte, die fünffach wiederhallt. Behsad, Nahid, Laleh, Morad und Tara – die Familienmitglieder erinnern sich an die Revolution im Iran oder leben diese nach der Migration nach Deutschland weiter, immer in der Hoffnung auf ein positives Ende – eine sehr gelungene Erzählung, die von Aufbruch und Zurücklassen, von Hoffnung, Warten und Zusammenhalt berichtet.
Heutzutage klappen wir den Laptop auf oder schalten das Tablet an und befinden uns mitten im Weltgeschehen wieder. Doch die aktive Beteiligung bleibt aus, da wir zu passiven Konsumenten geworden sind. Beim Lesen dieses Buches kommen uns die Studentenrevolten vor der eigenen Haustür banal vor, die sich gegen Studiengebühren erheben. Nahezu lächerlich, wenn man bedenkt, dass irgendwo anders der wirkliche Kampf gegen das System ausgetragen wird. Shida Bazyar nimmt uns dabei an die Hand und übersetzt für uns den Geist einer Revolution.
Erzähl mir vom richtigen Leben, wie ist es so? Was ist schon das richtige Leben, was die richtige Revolution? Folgt alles einer Logik? Der Roman erzählt die Geschichte vom Anfang bis zum Ende. Jeder Teil wird einem Jahrzehnt und einer Figur zugeordnet. Einfach und logisch. Gerade durch diese Zeitreise und den ständigen Wechsel der Stimmen wird das ernsthafte Thema aufgelockert. Auffällig unterschiedlich ist auch der Stil, in dem der Roman geschrieben ist. Von einer blumigen mit wallend langen Sätzen geschmückten Sprache hin zur jugendlichen Umgangssprache, die ohne Umschweife die Wirklichkeit auf den Punkt bringt. Videokassette rein in den Recorder, erst einmal zurückspulen und dann abspielen lassen. Was der Leser hier zu sehen bekommt, ist nicht nur eine Revolution, sondern auch was danach passiert. Immer und immer wieder wird der einfache Wahnsinn abgespielt, etwas das so weit weg passiert und doch ganz nah ist. Der Kontrast zwischen Hier und Dort, Deutschland und Iran, könnte nicht größer sein, dennoch schafft Shida Bazyar eine Verbindung zwischen dem Jetzt und Damals herzustellen, mal so ernsthaft, dass man innehalten muss, mal so ironisch, dass sich ein Grinsen beim Lesen in unseren Gesichtern regt.
Am Anfang haben sie gesagt, nichts ist privat, es gibt nur die Revolution. Revolutionen hinterlassen Spuren. Sie wehen in Form von Flugblättern über die Straßen und hängen sich in Bäumen fest. Sie befinden sich gestapelt in den Videotheken der revolutionären Köpfe. Der Schrei der Revolution hallt noch nach dem Lesen in unseren Köpfen nach und fordert uns auf, uns von unseren bequemen Sofas zu erheben und raus auf die Straße zu gehen, wo die wirkliche Revolution stattfindet.
Shida Bazyar: Nachts ist es leise in Teheran, KiWi 2016. 288 Seiten.19,99 €
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