
Rezension von Celina Imm
Der Tod backt einen Geburtstagskuchen, das Massengrab ist ein altes Mädchen und die perfide Grausamkeit des Krieges folgt den Prinzipien von Candy Crush. Der Erzählband von Hamed Abboud zieht zusammen, was man auf gar keinen Fall zusammen haben will: Kinder und Sterben, Spiel und Gewalt, Hinrichtung und Ich liebe dich. Beim Lesen ist man zunächst reichlich überfordert: da kommt etwas Unfassbares daher in der harmlosen Gestalt einer überzuckerten Spieleapp. Die Abgründe von Krieg, Tod und Verlust haben ihren Auftritt in einer Sprache, die präzise, leicht und poetisch ist. Und man fragt sich: Darf man das jetzt schön finden? Darf man darüber schmunzeln? Darf man bei der Lektüre in der Straßenbahn sich heimlich die Augen wischen? Darf man sich anmaßen, das Gefühl zu haben zu verstehen?
Hamed Abboud ist 2012 aus Syrien geflohen, zunächst nach Ägypten, und 2014 schließlich nach Österreich. Man schaut sich die Bilder aus Syrien nicht mehr richtig an. Wie man auch die Zahlen zu diesem Krieg nur aufzählt und doch nicht verstehen kann, welche Dimensionen dahinterstehen. Die Erfahrung von Krieg, Flucht und Asyl liegen auf drastische Weise außerhalb der eigenen Lebensverhältnisse, und daher klappt man Abbouds Buch nicht ohne Furcht auf, denn natürlich verhandelt es all das: den Verlust von Menschen und Heimat, das Töten, die Ohnmacht, die Angst und die Isolation im Exil.
Aber dann kommen seine Geschichten in einer Prosa, der man ihre Herkunft aus der Poesie noch so sehr anmerkt, und eröffnen einen Zugang zu diesen ungreifbaren Themen; ein Zugang dessen Existenz man nicht für möglich gehalten hat. Man liest von dem Wunsch sich einen Panzer auszuleihen, wo andere ein schickes Auto mieten würden, um die Freundin auf eine Rundfahrt auszuführen. Es sind gerade die irritierend-grotesken Zusammenschmelzungen von alltäglichen, schönen Momenten, die man aus seinem eigenen Leben kennt, mit den verstörenden und irreal anmutenden Auswüchsen des Kriegsgeschehens, die eine Annäherung erlauben. Krieg und Tod sind dabei fest mit der Lebenswirklichkeit verwoben und mitunter auf sehr schwarzhumorige Art omnipräsent in dem schmalen Erzählband: es wird über die angemessene Todesart sinniert in einem anormalen Krieg – „Stirb bloß nicht wegen eines läppischen vorübergehenden Schnupfens“-, ein Massengrab kommt zur Wort und eine Leiche erzählt ihren Freundinnen die Geschichte von einem Kuss. Denn auch das schimmert immer wieder auf: das Menschliche, das dem inhumanen Krieg trotzt und noch im Stande ist, sich Mitgefühl zu bewahren und utopische Zukunftspläne zu entwerfen: „Ich möchte ein Kind, um mit ihm das Leben zu erziehen“.
Die Zerstörungsstrategie des Krieges, so erklärt Hamed Abboud, setzt wie ein Candy Crush auf die vollkommene Auslöschung. Und man ist sehr froh, dass sein Erzählband sich quer stellt zu dieser Auslöschung: hier widersetzt sich jemand gegen die Sprachlosigkeit und schafft es, Gefühle aufrechtzuerhalten und weiterzugeben. Abboud schreibt in einem seiner Texte: „Was tötet, ist eine Distanz, der niemand in ihrer Kindheit sagte: ‚Benimm dich!‘, damit sie nicht frech wird.“ Seine Geschichten bestechen darin, dass sie eben jene Distanz in ihre Schranken verweisen und einem sehr nahe kommen.
Der Tod backt einen Geburtstagskuchen, Hamed Abboud, 2017, pudelundpinscher, 152 Seiten, 19,00 Euro