
Rezension von Änne Gerdes
Rio Bar ist ein Roman über den Krieg, der nichts über denselben preisgibt und doch alles.
Ivana Sajkos Roman bietet einen Zugang zu den Ereignissen des Kroatienkrieges, der die Gefühle eines einzelnen Menschen in den Vordergrund stellt. Die Gefühle einer Frau, die vom Krieg erschüttert wurde und die sich nun in einem Zustand des Wartens befindet. Das Warten auf ihren Bräutigam, das Warten auf das Ende des Krieges und das Warten darauf, dass der Alltag zurückkehrt und sie weiterleben kann.
Sie wurde am Tag ihrer eigenen Hochzeit vom Krieg übermannt. Das, was eigentlich zu dem schönsten Moment ihres Lebens werden sollte, wird zu einem Albtraum, der nicht aufzuhören scheint. Auch als der Krieg sich dem Ende zuneigt, kann sie keinen Frieden finden, er verfolgt sie und bringt sie aus dem Gleichgewicht. Sie ist ein Flüchtling, heimatlos und haltlos. Sie hat nichts mehr, außer dem Alkohol, der zu ihrem täglichen Begleiter wird. Die Rio Bar wird zu dem Ort, an dem sie versucht, ihre Gedanken zu ordnen, einen Sinn für ihr weiteres Leben zu finden und den Krieg zu verarbeiten. Doch die Narben die der Krieg hinterlässt, lassen sich nicht einfach wegwischen. Sie befindet sich in einem nicht enden wollenden Rausch, einem ständigen Schwebezustand zwischen Realität und Albtraum.
Rio Bar ist die Geschichte einer Frau, die nicht die Einzige ist, die mit den Folgen des Krieges zu kämpfen hat, und dennoch auf sich allein gestellt bleibt. Dadurch, dass Sajko ihre Protagonistin namenlos lässt, betont sie, wie das Schicksal eines Einzelnen im Meer der Zahlen, Fakten und Kategorisierungen des Krieges verschwimmt. Diesen Kontrast der irrationalen Gefühle der Betroffenen zu der rationalen Systematisierung der Behörden und Geschichtsbücher hebt Sajko gekonnt durch Anmerkungen hervor, in denen sachliche Informationen über den Kroatienkrieg gegeben werden, die einen starken Bruch zu der emotionalen Erzählung bilden.
Mit überragender Ehrlichkeit wird das Leben einer Frau beschrieben, die im wahrsten Sinne des Wortes nichts mehr zu verlieren hat. Es ist nicht schön, von dieser Frau zu lesen, die sich im Alkoholismus ertränkt, um den Krieg zu vergessen, und doch ist der Roman auf eine einzigartige Weise lesenswert.
Rio Bar, Ivana Sajko, 2008, Matthes und Seitz Berlin, 175 Seiten inkl. Anhang, 17,80 Euro.
Übersetzung aus dem Kroatischen von Alida Bremer.