
Dieser Text ist im Creative Writing Seminar ›Kreative Schreibwerkstatt: Von Gesagtem und Ungesagtem‹ der Uni Bremen entstanden. Er ist das Ergebnis eines sogenannten Writing Prompts, bei dem mit einer bestimmten Satz- oder Szenenvorgabe 15 Minuten lang assoziativ geschrieben wird. Der Aufhänger für diesen Text lautete: Sein Name war Milan.
Von Eleni Maurischat
Sein Name war Milan. Milan war sein Name. Milan. Milan. Milan. Wie alles, was man zu lange wiederholt, klang er komisch in seinen Ohren. Aber war es nur das?
Er war Milan.
Falsch, sein Name war Milan.
Er war es nicht. Nicht mehr. Milan war eine Person aus längst vergangener Zeit. Er hatte Milan zurückgelassen. Er hatte geglaubt, ihn nie mehr wiederzusehen. Genauso wie sie. Jetzt hatte er ihn eingeholt. Milan. Obwohl diesen Namen hier niemand kannte. Hier war er Ben, ein solider Name. Unauffällig. So wie er. Nicht auffallen bedeutete keine Fragen. Keine Probleme. Und kein Milan.
Also wieso war er hier. War er hier? Doch, er hatte diesen Namen gehört. Wieso hatte er diesen Namen gehört? Hatte sie ihn geschickt? Aus welcher Richtung kam er?
Milan.
Ein Wispern, kaum wahrnehmbar. Zuerst glaubte er, sich verhört zu haben, aber es gab keinen Zweifel, als er ihn wieder hörte. Ganz leise, jeden Tag zur gleichen Zeit am gleichen Ort. Als seien sie verabredet. Dann flüsterte es: Milan. Dann war die Stimme –ihre Stimme – wieder still und Milan mit ihr verschwunden. Zumindest bis zum nächsten Tag.
Mittlerweile war Milan viel in seinen Gedanken. Alte Bilder stiegen auf, alte Gerüche, alte Geräusche, Erinnerungen aus einer längst vergangenen Zeit. Aus Milans Leben, Bens Vergangenheit. Alles verschwamm miteinander, wie damals, als er beim Tauchen im See die Augen geöffnet und mit unscharfem Blick ihre Silhouette im Wasser treiben gesehen hatte.
Den einen Morgen hatte er geglaubt, in seinem – Milans – Bett am Rande der Welt aufzuwachen, bis er aus dem Fenster blickte und die geschäftige Straße vor sich sah. Zuletzt hatte er auf dem Weg zur U-Bahn gemeint, plötzlich das Ringen des Bäckerwagens zu vernehmen, bis ihm auffiel, dass es nur die Fahrradklingel eines eiligen Kurierdienstes war. Und auf dem Heimweg nach der Arbeit hatte er den Park durchquert und war sich sicher gewesen, Kuhmist zu riechen, bis er merkte, dass er mit dem Fuß in Hundescheiße steckte. Ärgerlich hatte er versucht, den Dreck am Rasen abzuwischen, als sein Blick erneut verschwamm. Er war wieder auf der Wiese vor dem Haus, das satte grüne Gras knatschte unter seinen Füßen. Das einzige Geräusch an diesem Sommermorgen. Er war auf dem Weg zu ihr. Auf dem Weg zum See, wo sie warten würde und seinen Namen wisperte. Milan. Ganz leise, jeden Tag um dieselbe Zeit, am selben Ort. Milan. Milan. Milan.
Wenn Eleni Maurischat nicht schreibt, redet sie. Beides gern lang und ausführlich, emotional und spontan. Still ist sie selten, eigentlich nur, wenn sie anderen Geschichten lauscht. Egal ob Theater, Kino, Buch oder Konzert – in Kunst und Kultur fühlt sie sich zu Hause. Dreimal darf geraten werden, was sie studiert: Kommunikations- und Medienwissenschaften und Kunst. An dieser Stelle ist Schluss, sonst geht das noch ewig so weiter.