Von Frauen, Viren und Affären

Der niederländische Autor Tommy Wieringa erzählt in „Eine schöne junge Frau“ von der Midlifecrisis eines erfolgreichen Wissenschaftlers.

von Helge Hommers

Es könnte so schön sein, das Leben des Virologen Edward Landauer: Er ist mit der bildhübschen, fünfzehn Jahre jüngeren Ruth verheiratet, erwartet mit ihr das erste gemeinsame Kind, und auch im Job klettert er die Karriereleiter stetig weiter nach oben – trotzdem lässt sich der Fast-Fünfzigjährige auf eine Affäre mit einer Arbeitskollegin ein. Denn er erkennt, dass eine schöne junge Frau zu lieben nur den Drang verstärkt, sich eine noch jüngere Geliebte zu nehmen. Dabei war es gar nicht ihre Jugendlichkeit, die Edward veranlasste, um Ruth zu werben – es war ihr Hintern.

So jedenfalls beginnt die Geschichte ihres Kennenlernens, die Edward einem befreundeten Paar bei einem gemeinsamen Abendessen erzählt. Ein cleverer Kniff des Autors: Indem er seine Protagonisten von ihrer ersten Begegnung berichten lässt, wird durch die dabei entstehende Dynamik mehr über Ruth und Edward gesagt als durch das eigentlich Erzählte.

In seiner niederländischen Heimat ist Wieringa bereits seit langem einer der erfolgreichsten Schriftsteller seiner Generation, und auch im deutschsprachigen Raum gelang ihm vor zehn Jahren mit seinem Coming of Age-Roman „Joe Speedboat“ der literarische Durchbruch. Sein neuestes Werk „Eine schöne junge Frau“ verfasste Wieringa – Jahrgang 1967 und somit in einem ähnlichen Alter wie sein Protagonist – als Auftragsarbeit für die letztjährige niederländische „Boekenweek (Buchwoche)“, auf der sein 124-seitiger Kurzroman als Gratisbeilage verteilt wurde.

Die Knappheit seines Porträts eines im Grunde genommen rundum erfüllten Herrn in der Midlifecrisis ist allerdings auch das Problem des Buches. Denn anstatt sich auf sein Protagonistenpaar und die Nebenbuhlerin zu konzentrieren, wirft Wieringa zahlreiche weitere Figuren wie Ruths Bruder, dessen Sohn und Edwards Arbeitskollegen ins Geschehen und lässt diese ebenso schnell wieder verschwinden. Dabei öffnen sich weite thematische Felder – wie die immer wiederkehrende Virenforschung – die nur unzureichend erschlossen werden. Anstatt sich auf die Krise der Beziehung zu konzentrieren, in der Ruth und Edward vor Herausforderungen gestellt werden, wird über seine Anfänge als AIDS- und H5N1-Forscher berichtet, und das nimmt der ganzen Beziehungsbrisanz die Luft. Weniger Hintergrundgeschichte wäre hier also mehr gewesen, denn gerade die Momentaufnahmen sind gut gelungen. So schildert Wieringa eindrucksvoll, wie Edward bewusst wird, dass er und Ruth sich in zwei grundverschiedenen Altersklassen befinden, als einer von ihren ehemaligen Kommilitonen die von Edward servierten Jakobsmuscheln wie Hamburger verschlingt. Gerade diese scheinbar bedeutungslosen Szenen sind es, die Wieringas geschärften Blick für Details hervorheben und so Bilder von beachtlicher Aussagekraft erzeugen. Im Endeffekt reiht der Autor in seinem Roman jedoch zu viele dieser Szenenbilder aneinander, auch wenn sie letztendlich zusammen Sinn ergeben.

Tommy Wieringa: Eine schöne junge Frau. Carl Hanser Verlag, 2015. 124 Seiten. 14,90 €.

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