Der politische Krimi um zwei vernachlässigte Jugendliche steckt voller Kitsch und zweifelhafter Aussagen über Geschlechterrollen.
Rezension von Alex Kind
Was macht Eindruck auf Pubertierende? Mädchen mögen starke Männerarme, Jungs finden Tätowierungen cool. Was kommt dabei heraus, wenn man beides kombiniert? Das Cover zu Elisabeth Zöllers neuem Jugendroman F.E.A.R. Zu sehen ist ein männlicher Oberarm, über dessen schön definierten Bizeps der Titel des Buches in Tattoo-Optik gephotoshoppt wurde.
Auch zwischen den Deckeln geht es blümchen-sexy weiter: Ausschweifend erzählt die 17-jährige Clara, wie verknallt sie in ihren Freund, den Finnen Joonas ist. Sie schreibt einen Bericht für Artur Kekkonen von der finnischen Polizei, doch der Kommissar interessiert sich nicht für die Liebesabenteuer einer Jugendlichen. Stattdessen versucht er an Joonas heranzukommen, der nach einem Brandanschlag im finnischen Suonenjoki spurlos verschwunden ist und von dem Kekkonen befürchtet, dass er eine Größe in der Neonaziszene ist. Nach und nach verrät Clara, wie ihre Familie sieben Monate zuvor in einer Krise steckte und der Ministerinnensohn wie gerufen kommt, um ihr in seinen starken Armen Halt zu geben. In seiner finnischen Exotik ist Joonas zunächst geheimnisvoll, doch dann gibt er immer mehr von seinen rechten Ideen preis. Als Akt der trotzigen Rebellion gegen die Mutter ignoriert Clara, dass ihr Freund ein Neonazi ist – auch dann noch, als er sie in seinen Plan zur Rettung der finnischen Kultur einweiht. Als die Situation zu Hause für Clara unerträglich wird, kann Joonas sie zum Durchbrennen in sein Heimatland überreden, wo er mit seiner Untergrundorganisation Anschläge auf Flüchtlingsheime plant. Warum Clara mit Joonas geht, ist nicht nachvollziehbar, weil sie doch als aufgewecktes Mädchen beschrieben wird. Das ist dann wohl die Liebe, die bekanntlich blind macht.
Mit ihrem aktuellen Roman möchte Zöller wahrscheinlich bei Jugendlichen das Bewusstsein für die Gefahren rechter Ideologie schärfen. Das Unterfangen ist nobel, doch trieft das Buch nur so vor pädagogischem Anspruch, was die meisten und insbesondere die jugendlichen Leserinnen und Leser wohl eher abschreckt. Clara und ihre Sprache sind unauthentisch und wirken erzwungen. Als literarische Anspielung auf die beliebten Schwedenkrimis ist der Kommissar mit seiner ruhigen Art ganz nett, doch mit Claras Schwärmerei für den gutaussehenden Joonas, die stark an Bella aus der Glitzervampirsaga Twilight erinnert, schießt Zöller über die Grenzen des guten Geschmacks hinaus. Zweifelhaft sind auch die unfertigen Aussagen, die sich aus dem Buch herauslesen lassen. Viele Themen rund um das Neonazitum werden zwar angeschnitten, aber nie zu Ende diskutiert. So bleiben beispielsweise Zöllers Anschuldigungen an die Mütter der beiden Hauptfiguren unreflektiert im Raum stehen. Es scheint, als seien die Karrierefrau und die Mutter, die sich aus ihrer langweiligen Ehe heraussehnt, mit ihrem Egoismus allein dafür verantwortlich, dass ihre Kinder zu Neonazis und Mitläufern werden. Zöller zeigt zwar immer wieder auf, wie frauenverachtend die Neonaziszene ist, doch spricht sie sich letztendlich in einem unzeitgemäßen Plädoyer für das traditionelle Bild der Frau am Herd aus. Bei all seinem Zündstoff braucht dieser Jugendroman Diskussion und eine eingehendere Beschäftigung unter Anleitung. Für einen Ort wie die Schule mag der Roman seinen Sinn erfüllen, denn an vielen Stellen kann angeknüpft, diskutiert oder gar neugeschrieben werden. Und ob mit Absicht oder aus Versehen, so zeigt Zöllers Roman schließlich auch, dass nicht nur rechte Ideologie, sondern auch Literatur kritisch betrachtet werden muss.
Elisabeth Zöller: F.E.A.R. Hanser Verlag, München 2015. 203 Seiten, 16,90€.
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