
Von: Sarah Ostermann
Leif Randts Roman Allegro Pastell könnte einen ganz bestimmten Schlag an Menschen kaum besser abbilden: Gemeint sind Deutschlands Großstadtmenschen in ihren Dreißigern, ohne Kinder, für die das Wort hip extra erfunden zu sein scheint. Denn die Protagonist*innen Tanja Arnheim und Jerome Daimler sind dies ohne Frage. Zu Beginn des Romans ein Paar und später getrennt, wird sowohl ihr Miteinander als auch ihr Getrenntsein aufgezeigt. Der*Die Lesene*r erhält nicht nur einen tiefen Einblick in ihre Gefühls- und Gedankenwelt, sondern auch in ihr alltägliches Leben, das sich vermutlich von anderen Großstadtmenschen in den Dreißigern heutzutage kaum unterscheidet.
Obwohl von Beginn an alles in ihrer Beziehung perfekt zu sein scheint, kommt es im Roman unvorbereitet zum Aus der Beiden. Unvorbereitet deswegen, weil schon die ersten Seiten in erster Linie ihre perfekte Beziehung widerspiegeln. Beginnend im Frühling 2018 holt Jerome Tanja am Frankfurter Hauptbahnhof ab, die mit dem Zug aus Berlin angereist kommt. Der*die Lesende*r erfährt nach und nach die Grunddaten der Beiden: Jerome Daimler ist 35, Webdesigner und lebt in einem Bungalow in Maintal in der Nähe von Frankfurt. Tanja Arnheim ist 29, erfolgreiche Schriftstellerin mit einem ihrer Bücher „PanoptikumNeu“ und lebt in Berlin, Neukölln. Die Beziehung bleibt unausgesprochen gut, was mit Sicherheit auch daran liegt, dass die beiden alles in allem auch sehr zufrieden mit ihrem Leben sind. Der einzige Streit, den sie haben, handelt über den Film „Call me by your name“.
Ein plötzlicher Bruch ihrer bisher nahezu perfekten Beziehung tut sich an Tanjas 30. Geburtstag auf. Tanja bekommt von Jerome eine eigene Website geschenkt und es stellt sich die Frage, ob sie diese wohl als etwas übergriffig empfunden hat. Irgendetwas an der Geste gefällt ihr jedenfalls nicht. Als sie dann anfängt an Jannis zu denken, dem Angehimmelten ihrer besten Freundin, merkt sie, dass sie Abstand braucht – im Sinne einer Beziehungspause. In dieser datet Jerome eine alte Schulfreundin Marlene, die auch schon zuvor in seinen Gedanken auftauchte, als eine Person, an der er schon immer Interesse fand. Und auch Tanja beginnt eine Affäre mit dem eben genannten Jannis.
In der erlebten Rede erfährt der*die Lesende*r mehr über die Gedankenwelt der beiden. Nichts bleibt unkommentiert, selbst die asiatische Küche bei der Hochzeit von Freund*innen wird von Jerome beschrieben, als etwas auf das sich in Deutschland die meisten Menschen einigen können. Somit ist das Leben von Tanja und Jerome eigentlich ziemlich in Ordnung. Und vielleicht ist es genau dieser Umstand, der den beiden die Zeit gibt, ihre Gedanken um sich kreisen zu lassen und in den Kontext des jeweils anderen zu setzen. Auch die digitalen Kommunikationskanäle spielen im Roman eine erhebliche Rolle. Und somit hat der*die Lesende beinahe das Gefühl, die E-Mail könnte von der*m eigene*n Freund*in stammen, da stilistische Ausschmückungen ausgespart und Emojis gesetzt werden.
Der Roman endet mit dem Sommer 2019 und als Lesende*r bleibt das Gefühl, man hätte die beiden wirklich anderthalb Jahre begleitet. Die Gedanken, die sich sowohl mit ihrer eigenen Zukunft als auch Vergangenheit befassen und mit der jeweils anderen Person, vermitteln ein umfassendes Bild beider Charaktere. Genauso nüchtern und dennoch facettenreich wie das moderne Leben der beiden Großstädter*innen beschrieben wird, genauso hat man am Ende das Gefühl, könnte es sich tatsächlich zugetragen haben – bei einem Liebespaar in ihren Dreißigern in Berlin und Maintal.
Allegro Pastell, Leif Randt, 2020, 288 Seiten, 22,00 €.